(English below)
Deutsch
An diesem 01. November jährt sich der Fluchttag meiner Eltern im Jahre 1953 mit uns drei Kindern aus der damaligen ‚Sowjetischen Besatzungszone (SBZ, später DDR)‘ per Bahn. Von mir gibt es keine Erinnerung daran. Mein Gedächtnis setzte schlagartig ein, als wir am Zielort bei Verwandten ankamen und ich die Schwester meiner Großmutter sah und in ihr meine einige Monate zuvor verstorbene -und offensichtlich hochgradig geliebte- Großmutter wiederzuerkennen glaubte. Ich kann mich sogar noch an meinen ersten, selber wahrgenommenen Satz erinnern: „Meine Oma ist aus dem Himmel gekommen…“ Das ist mir heute noch sehr präsent. Ich war drei Jahre alt …
Die Verwandten hatten ihr großes Wohnzimmer für uns Fünf hergerichtet und sich einige Monate mit den verbliebenen Zimmern begnügt. Eine ungewöhnliche Geste, die immer noch nicht hoch genug bewertet werden kann. Es folgte der ‚Neustart‘ meiner Eltern in Freiheit und Frieden und kräftiger, allseitiger Unterstützung.
Flucht… was für ein Wort. Wenn Erwachsene mit ihren kleinen Kindern aus ihrer angestammten Umgebung das Risiko einer Flucht ins Unbekannte wagen, dann dürfen da keine ‚Steine im Weg‘ liegen. Die absolut beispielhafte Unterstützung, die wir erfahren durften, war wohl acht Jahre nach dem 2.Weltkrieg wahrscheinlicher als später oder heute.
Das alles geht mir durch den Kopf, wenn ich die Flüchtlingsströme Richtung Europa sehe. Jeder Mensch, erwachsen, jugendlich oder Kind, ist ein Schicksal … ein Opfer mit grober Zielrichtung. Wer räumt schon sein Wohnzimmer aus und lässt darin monatelang Flüchtlinge wohnen? Sofern Flüchtlinge -sogenannte Illegale- überhaupt einen Zielstaat erreichen und nicht an Grenzen abgewiesen oder ‚weggebissen‘ werden. Kein Mensch auf diesem Planeten ist illegal!
Gerechtfertigt ist das Abweisen von Kriminellen und sog. Staatsfeinden – also Menschen, die jeder Gesellschaft durch Unterwanderung schaden. Ein Staat hat das Recht und auch die Pflicht, seine Bürger zu schützen und Schaden abzuwenden. Das vereinbare ich mit meiner pazifistischen Sicht.
Jede und Jeder dieses Lesende mag hier zustimmen – oder auch nicht. Die Erinnerungen des kleinen Flüchtlingsjungen in den 50er Jahren sind noch sehr wach und … ich hätte auch einer von den ‚Weggebissenen‘ sein können, wenn es nicht Menschen gegeben hätte, für die Hilfe und Menschlichkeit selbstverständlich waren.
English
This 01 November is the anniversary of the escape of my parents in 1953 with us three children from the then ‚Soviet Occupation Zone (SBZ, later GDR)‘ by train. There is no memory of it from me. My memory suddenly kicked in when we arrived at our destination with relatives and I saw my grandmother’s sister and thought I recognized in her my grandmother who had died a few months earlier – and was obviously highly loved. I can even remember my first, self-perceived phrase: „My grandma came from heaven…“ This is still very present to me today. I was three years old …
The relatives had prepared their large living room for the five of us and made do with the remaining rooms for a few months. An unusual gesture, which still cannot be valued highly enough. This was followed by the ’new start‘ of my parents in freedom and peace and strong, all-round support.
Escape… what a word. When adults dare to take the risk of fleeing into the unknown with their small children from their traditional environment, then there must be no ’stones in the way‘. The absolutely exemplary support that we were allowed to experience was probably more likely eight years after the Second World War than later or today.
All this goes through my mind when I see the flow of refugees towards Europe. Every human being, adult, youth or child, is a destiny …. a victim with a rough destination. Who would clear out their living room and let refugees live in it for months? Provided that refugees -so-called illegal- reach a destination country at all and are not turned away at borders or ‚bitten away‘. No human being on this planet is illegal!
It is justified to turn away criminals and so-called enemies of the state – people who harm any society by infiltrating it. A state has the right and also the duty to protect its citizens and to avert harm. I reconcile this with my pacifist view.
Each and everyone of this reading may agree here – or not. The memories of the little refugee boy in the 50s are still very much alive and … I could also have been one of the ‚bitten away‘, if there had not been people for whom help and humanity were self-evident.